Wie in anderen Wohnanlagen Wiens, gibt es auch in der Rennbahnwegsiedlung Kunstobjekte, die das Gebäude schöner und lebenswerter machen sollen. Im Sinne des „Kunst am Bau“ hat die Stadt Wien vor vielen Jahren Künstler beauftragt, Kunstwerke für die Rennbahnwegsiedlung zu entwerfen.
Doch, wie „schön“ sind diese Objekte eigentlich wirklich und wer bestimmt was Kunst ist? Ist auch das Graffiti an vielen Wänden der Rennbahnwegsiedlung „Kunst“? Um diesen Fragen nachzugehen, haben sich Amer, Deniz, Marcel, Meriton und Patrick zur Forschungsgruppe „Kunst am Bau“-Wer bestimmt was das ist? zusammengeschlossen. Sie haben recherchiert, die Kunstwerke in der Wohnhausanlage begutachtet, mit BewohnerInnen gesprochen, einen der Künstler von damals getroffen und mit JugendarbeiterInnen und einer Rapperin darüber gesprochen, ob die BewohnerInnen durch Graffiti nicht auch selbst zu KünstlerInnen werden können und dadurch ihre Wohnhausanlage verschönern.
Versteckt, stillgelegt, beängstigend: Die offiziellen Kunstwerke
In den Höfen der Rennbahnwegsiedlung gibt es mehrere Kunstwerke, doch nicht alle sind leicht zu finden und nicht immer ist klar, worum es bei den Kunstwerken geht. Unter anderem gibt es in der Rennbahnwegsiedlung etwa eine Metallskulptur von Josef Schagerl, die 1977 aufgestellt wurde oder eine etwa gleichalte Betonplastik von Roland Göschl. Einige Kunstwerke haben sich die Forscher genauer angesehen, da an ihnen etwas merkwürdig ist. Da ist einerseits ein Gebilde aus meterlangen gebogenen Metallrohren, die in den Himmel zu zielen scheinen.
Die Metallskulptur von Karl Anton Wolf ist im zentralen Innenhof zwischen Kinderspielplätzen und Wiesen aufgestellt. Die jungen Forscher kannten dieses Objekt und verbanden damit vor allem unangenehme und bedrohliche Gefühle. Um herauszufinden, wie Andere über die Skulptur dachten, Interviewten sie einen langjährigen Mitarbeiter der Hausverwaltung. Auch er hatte ein unbehagliches Gefühl beim Anblick der Skulptur. Für spielende Kinder, so sein Eindruck, könnten die Metallrohre durchaus gefährlich sein.
Bei zwei weiteren Kunstwerken musste erst nachgeforscht werden, erkennbar wurde, was sie ursprünglich darstellen sollten. Wer den zentralen Innenhof von der U-Bahn kommend betritt passiert eine große Steinskulptur in einer betonierten Wanne. Erst im Gespräch mit einer Lehrerin, die die Siedlung schon lange kennt, stellte sich heraus, dass diese Skulptur früher ein Brunnen war, der im Sommer Abkühlung und für Kinder die Möglichkeit zum Spielen im Wasser bot. Bei näherer Inspektion zweier Betonkugeln in einem benachbarten Hof entdeckten die jungen Forscher, dass auch diese Kugeln ursprünglich offensichtlich als Brunnen dienten – doch auch hier wurde das Wasser offenbar vor Langem abgeschaltet.
In ihren Nachforschungen, wieso die Brunnen „trockengelegt“ wurden, erfuhren die Mitglieder der Forschungsgruppe Unterschiedliches. Viele wussten es nicht, andere hatten vage Vermutungen. Über den großen Steinbrunnen im zentralen Hof wurde berichtet, dass spielende Kinder zu viel Lärm gemacht haben sollen, worauf AnrainerInnen die Abschaltung des Brunnens gefordert hätten. Andere berichteten, dass manche BewohnerInnen im Becken des Brunnens ihre Schmutzwäsche wuschen und er darum abgeschaltet wurde.
Um mehr über die merkwürdige Geschichte der großen Steinskulptur zu erfahren, wurde Einer kontaktiert, der es wissen sollte, Hans Muhr, der Künstler, der 1978 den Brunnen selbst gestaltete. Der Künstler, mittlerweile in gehobenem Alter, empfang die jungen Forscher gerne und freute sich darüber, dass Jugendliche Nachforschungen über seinen Brunnen anstellten. In einem langen Gespräch im Garten des Künstlers Muhr, erzählte dieser den Forschern über seinen Werdegang vom Lehrer zum Bildhauer und Brunnenbauer. Mit seinen Skulpturen will der Künstler die Stadt lebendig und lebenswert machen, dabei spielt das Wasser eine zentrale Rolle, da sie die Steinskulpturen selbst lebendig machten, so Muhr. Darum war er auch besonders enttäuscht darüber, dass seine Skulptur in der Rennbahnwegsiedlung heute kein Wasser mehr führte. Wie Muhr erklärte, sollte der Brunnen, der den Namen „Vegetative Skulptur“ trägt, einen Baum symbolisieren, durch dessen Mittelteil in den warmen Monaten ursprünglich hunderte Liter Wasser täglich gepumpt und im Becken darunter wieder aufgefangen wurden.
Dadurch sollte der Brunnen für kühle Luft sorgen und tatsächlich war es Teil des Plans, dass im Wasserbecken Kinder spielen sollten. Wie ein altes Foto zeigt, hat der Brunnen diese Funktion einst tatsächlich erfüllt. Auf die Frage, wieso denn die Hausverwaltung das Wasser abschaltete und dadurch die Skulptur unbrauchbar machte, konnte auch der Künstler Muhr nicht eindeutig beantworten – anscheinend sei die Wasserpumpe eines Tages defekt geworden und wurde nicht repariert. Keine befriedigende Situation, fanden nicht nur die jungen Forscher, sondern auch der Künstler selbst. Hans Muhr beschloss bei diesem Gespräch, das Interesse der jungen Bewohner der Siedlung zum Anlass zu nehmen, um nochmals bei den Verantwortlichen nachzuhaken, dass sie das Wasser doch wieder anschalten sollten um die „toten Steine“ wieder zum Leben zu erwecken.
Was wäre wenn…
Amer, Deniz, Marcel, Meriton und Patrick hoffen, dass der Künstler Muhr Erfolg hat und auch sie einmal einen Sommer mit kühlen Brunnen in der Rennbahnwegsiedlung erleben. Um ihre Eindrücke, Phantasien und Ideen, die sie während der Recherche über die Kunstwerke gewonnen haben zu verbildlichen, haben sie Fotos von Skulpturen übermalt. Die Bild-in-Bild Fotos zeigen einige Szenarien, was wäre wenn…
Die etwas andere „Kunst am Bau“
An vielen Wänden der Rennbahnwegsiedlung finden sich kleinere und größere Bilder, Sprüche und sogar Gedichte – aber handelt es sich auch dabei um „Kunst am Bau“? Amer, Deniz, Marcel, Meriton und Patrick haben sich die Graffitis in der Rennbahnwegsiedlung genauer angesehen und nachgeforscht, was durch diese Wandmalereien zum Ausdruck gebracht wird.
Wie man auf den Fotos der Graffitis, die die jungen Forscher entdeckt haben, sieht, werden die Wände der Rennbahnwegsiedlung in unterschiedlichster Art genutzt, um Botschaften zu transportieren. Da gibt es einerseits „Auftragsgraffitis“ am Jugendzentrum oder auch Wandbemalung an der Volksschule und dann gibt es andererseits unterschiedlichste „illegale“ Graffitis an den Wänden und in den Gängen der Wohnsiedlung.
Diese Graffitis handeln von den unterschiedlichsten Dingen: manche wollen einfach nur witzig sein, andere wollen provozieren indem Worte wie „Sex“ oder „Fuck“ an die Wand gesprayt werden. In vielen Graffitis geht es um die Liebe, um Pärchen oder auch um die Trauer wenn eine Liebesbeziehung zu Ende geht. Dann gibt es noch die politischen Graffitis – einerseits mit rechtem Inhalt (wir haben uns entschieden, diese Graffitis hier nicht mit Foto zu präsentieren, um ihnen nicht noch mehr Raum zu geben), es werden aber auch andere politische Themen mit Graffitis verhandelt, bis hin zu antirassistischen Botschaften. Viele Graffitis sind schnell an die Wand geschrieben oder gesprayt, aber bei manchen ist zu erkennen, dass viel Zeit und Mühe hineingesteckt wurde. Solche Graffitis machen weiße Wände oder dunkle Gänge in der Garage interessanter und farbenfroher.
„Es sollte mehr Platz für Graffiti geben!“ – Ein Interview mit Rapperin Yasmo
In ihren Recherchen hat die Forschergruppe herausgefunden, dass Graffiti ein Teil der Hip Hop Kultur ist und seinen Ursprung in den USA hat. Graffiti und Rapmusik wurde dort ab den 1970ern von der Schwarzen Bevölkerung vor allem genutzt, um auf Diskriminierung und Rassismus aufmerksam zu machen. Später ist Hip Hop nach Europa gekommen und hat sich seit seinen Anfängen ziemlich verändert. Um darüber mehr zu erfahren, führten Amer, Deniz, Marcel, Meriton und Patrick ein Gespräch mit der in Wien lebenden Rapperin Yasmo. Die Forscher sprachen mit der Künstlerin über Rap, Kommerz und Graffiti als Möglichkeit der Stadtverschönerung.
Kunst am Bau, was ist das genau?
In ihren Nachforschungen sind Amer, Deniz, Marcel, Meriton und Patrick auf unterschiedlichste Formen der „Kunst am Bau“ in der Rennbahnwegsiedlung gestoßen. Von beängstigenden Metallskulpturen über trockengelegte Brunnen bis hin zu Graffits. Eine der Erkenntnisse dieser Forschung ist, dass sich bei näherem Hinsehen gar nicht so leicht sagen lässt, was „Kunst“ ist und wodurch eine Wohnanlage wie die Rennbahnwegsiedlung verschönert wird. Wie in vielen spannenden Forschungsprojekten stand also auch hier am Ende keine einfache Antwort, sondern eine Frage. Und die Idee für ein eigenes Kunstwerk…